Medienpädagogik

Nachrichten im Klassenchat schreiben, per WhatsApp Fotos an die Eltern schicken, Online-Spiele spielen und TikTok-Videos anschauen – mit ihrem Handy machen Heranwachsende weit mehr, als nur zu telefonieren. Doch der sichere Umgang mit Smartphone, Internet und sozialen Medien will gelernt sein. Deshalb hat Pädagoge Jörg Deutschmann einen Handyführerschein für die Kinder und Jugendlichen im Albert-Schweitzer-Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern entwickelt.

„Nichts macht so viel Ärger wie die Online-Aktivitäten der Kinder“, sagt Inka Peters, Geschäftsführerin des Familienwerks Mecklenburg-Vorpommern ganz offen. „Doch all das gehört heute zum Leben dazu. Online-Sein ist auch Teilhabe. Gleichzeitig braucht es in der Online-Welt nur wenige Klicks, um bei Gewalt und Pornografie zu landen, um Straftaten zu begehen oder sich selbst zu gefährden. Wir müssen die Kinder dazu befähigen, Medien zu nutzen, und gleichzeitig vor den Gefahren im Netz schützen. Ein schmaler Grat.“

Jörg Deutschmann, Erzieher im Kinderdorfhaus „Leuchtfeuer“ in Wolgast, hat sich auf diese Herausforderung gezielt vorbereitet. 2021 hat er in Greifswald eine medienpädagogische Weiterbildung absolviert – und anschließend einen Handyführerschein für seine Schützlinge entwickelt. „Ich habe mir die Frage gestellt, wann die Kinder reif genug sind, um möglichst sicher und gefahrenfrei ein Handy zu nutzen“, erzählt er. „Ob das überhaupt geht.“ Sein Fazit: „Es kann funktionieren, wenn es von vornherein gewisse Grundregeln gibt.“

Regel Nummer eins im Kinderdorfhaus „Leuchtfeuer“: Ein eigenes Handy gibt es erst, wenn der Handyführerschein bestanden wurde. Jörg Deutschmann erklärt den Kindern zunächst die Theorie. Wie funktionieren soziale Medien? Worauf muss geachtet werden? Darf man ungefragt Fotos von anderen posten? „Wir sprechen über den Schutz der Privatsphäre. Und schauen uns auch an, was in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Social-Media-Plattformen steht. Zum Beispiel, ab welchem Alter die Nutzung offiziell erlaubt ist“, so der 40-Jährige. „Bei TikTok etwa ab 13 Jahren. Davon sind die Kinder immer wieder überrascht.“

Vor anderen (bösen) Überraschungen, die im Netz auf sie warten und schnell zur ganz realen Gefahr werden können, wollen die Fachkräfte des Familienwerks die Heranwachsenden schützen. „Wir haben ja auch eine Aufsichtspflicht“, betont Geschäftsführerin Inka Peters. Sie weiß: „Die Kinder nutzen gern die große Freiheit, die ihnen das Netz und die sozialen Medien bieten, aber viele sind auch hoffnungslos damit überfordert und brauchen Hilfe, um nicht verlorenzugehen. Gerade unsere Kinder bringen eine große Bedürftigkeit mit, nach Ablenkung ebenso wie nach Zugehörigkeit. Umso wichtiger ist eine gute Aufklärung.“

Nach der Theoriestunde für den Handyführerschein müssen Testfragen beantwortet werden. „Zum Teil gibt es mehrere Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen. Manche Fragen müssen aber auch etwas ausführlicher schriftlich beantwortet werden“, erläutert Jörg Deutschmann. Nur, wer mindestens 15 der 20 Fragen richtig beantwortet, besteht.

„Bei uns im Kinderdorfhaus hat die Jüngste den Handyführerschein zuerst bestanden“, erzählt Deutschmann, „mit elf Jahren.“ Zur Verfügung steht ihr das Handy nach Schulschluss. Abends wird es wieder abgegeben.

„Die Kinder nehmen die Herausforderung freudig an“, sagt Jörg Deutschmann. Was ihn beeindruckt hat: „Ein Junge, der den Test nicht bestanden hat, hat sich danach richtig reingekniet. Er hat sich in der Bibliothek informiert, recherchiert, Eigeninitiative gezeigt. Da konnte auch ich noch etwas lernen.“ Im zweiten Anlauf klappte es dann auch in diesem Fall mit dem Handyführerschein.

Diejenigen, die noch kein eigenes Handy haben, können das Festnetztelefon und den Kinder-PC im Haus nutzen. Deutschmann: „Und wenn uns die Eltern eine WhatsApp-Nachricht auf das Diensthandy schicken, können die Kinder ganz einfach zurückrufen.“

Sabrina Banze, Bundesverband

Symbolbild: Canva